Schriften

 

30 Jahre Pharmazie an der Bundesstraße  

 

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

mir ist der ehrenvolle Auftrag zu teil geworden Ihnen heute einiges zur Geschichte der Pharmazie in Hamburg , insbesondere des Instituts für Pharmazeutische Chemie, nach der Neu-Strukturierung Institut für Pharmazie, nahe zu bringen. Ich kann Ihnen dabei, dies als Entschuldigung vorweg, z.T. sehr persönliche Erinnerungen nicht ersparen, da ich dem Institut von 1967 (wieso schon im zarten Alter von 17 Jahren, erläutere ich noch)  bis 1995, Abschluss meines letzten Doktoranden in Hamburg,  verbunden war und sein Schicksal noch heute mit Interesse verfolge. Bei Beschäftigung mit diesem Jubiläum stellte ich dann fest, dass, naturwissenschaftlich exakt, wir eigentlich entweder zu früh oder zu spät feiern. Dass dennoch der Termin angemessen gewählt  ist, darauf komme ich noch zurück.

Wenn in 100 Jahren die Universität Hamburg, Geburtsjahrgang 1919,  zum Kreis der alt-ehrwürdigen Universitäten gehört, werden wir ihr die nachfolgende Story aus ihren Kindertagen vielleicht verziehen haben.

Die Pharmazie[1] war bei Gründung der Universität nicht berücksichtigt worden !

Obwohl  die  „Pharmazeutische Gesellschaft der Hamburger Apothekerschaft“,  gründet  1801, der 1818 von Hamburger Pharmazieräten gegründete   „Wissenschaftlichen Verein“ und die 1824 gegründeten  „Pharmazeutische Lehr­anstalt“, eine amtlichen Einrichtung des Senates der Freien und Hansestadt Hamburg, als frühe Vorläufer der Universität gelten können. Es nützt auch nichts, dass seit 1908 die Pharmazie in den Unterrichtsveranstaltungen des „Ham­burgischen Kolonialinstituts“, dem unmittelbaren Vorläufer der Universität, durch Wilhelm Göhlich[2], Apotheker und später als Professor mit Lehrauftrag am Chemischen  Staatsinstitut für Angewandte Chemie tätig, vertreten war. Doch die alte Mutter Pharmazie, selbst ein Kind der Materia medica in der Medizin, ist ja gewohnt, dass man grob mit ihr umspringt. Muss sie doch bisweilen sogar  heute noch feststellen, dass sie von ihrer Tochter, der Chymiatrie, nachdem diese sich in Chemie umtaufen ließ, als Herkunft verleugnet wird. Vermutlich liegt das daran, dass sie in ihrer Jugend mit Fecht- und Tanzkunst auf einer Stufe stand und man sich, als man universitär wurde, der nicht­akademischen  handwerklichen Verwandtschaft schämte. Da ich den Protest der Chemikerkollegen an dieser Stelle erwarte, möchte ich Ihnen sagen, dass nach Arbeiten[3] von Schlenz, Schneider und Hickel, alles renommierte Pharmaziehistoriker, bis Mitte des 18. Jahrhunderts die „Chemiker“ überwiegend Ärzte waren. Hufbauer[4]. hat 1982 die „Chemiker“- Geburtsjahrgänge 1700 - 1795 ausgewertet und festgestellt, dass  45 % eine pharmazeutische Ausbildung hatten, womit diese Berufsgruppe vor den Ärzten den größten Anteil stellte. Festzuhalten bleibt aber, dass die wissenschaftliche Pharmazie in Hamburg somit 1998 entweder  197, 180 ,174,  104  oder 90 Jahre alt wird. Ich selbst neige allerdings zur Feier des 104 Geburtstages wissenschaftlicher Pharmazie in Hamburg, also noch dicht an einem runden Geburtstag.

Warum ? Weil Hamburg 1894 § 1 des Statuts der „Pharmazeutischen Lehranstalt“ neu formuliert wurde.  Zitat :  „Die Pharmazeutische  Lehranstalt ist eine dem hamburgischen Senat gehörige und von demselben unterhaltene wissenschaftliche Anstalt“,  Zitat Ende.

Doch halt! Ich stieß auf ein besonderes Dokument, das den 104. Geburtstag  noch besser belegt.

 Das Bild zeigt eine kostbare Originalausgabe mit dem Druckdatum 1894  der KapVO., die  mich und die Kollegen in meiner Zeit an der Universität besonders quälte. Damit Sie nicht an einen Computertrick glauben, führe ich das Original zur Einsicht mit. Doch weiteres Nachdenken ergab, um Einstein zu zitieren, dass es sich vermutlich doch um einen Druckfehler handelt. Doch die Pharmazeuten waren schon immer listig, wenn man versuchte, sie auszubooten.

Bereits im ersten Semester der neu gegründeten Universität, im WS 1919/1920,  wurde  schon  3 SWS Pharmazeutische Chemie durch Göhlich gelesen und  ab 1920 auch entsprechende Übungen abgehalten. Als Göhlich erkrankte, übernahm Karl Kindler die Vorlesung. Bis 1924 boten dann Göhlich und Kindler beide  Pharmazeutische Chemie an, und nach Göhlichs Tod 1928 vertraute man Kindler die Leitung des sogn. „ Pharmazeutisch - Chemischen Praktikums“ als eigene Abteilung unter Ernennung zum apl. Professor an. Im Rahmen der „Konzentrierung des Pharmaziestudiums“ auf bestimmte deutsche Universitäten  unter der Naziherrschaft mußte auch die Pharmazeutisch - Chemische Abteilung im Chemischen Staatsinstitut 1938 schließen. Kindler nahm einen Ruf auf das Ordinariat für Pharmazeutische Chemie nach Innsbruck an, wo er von 1941 bis 1945 wirkte.

Hier ist ein kurzer Einschub zu machen.

Nach der Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus waren auch die Struk­turen der wissenschaftlichen Fachgesellschaften zerstört. Um so bemerkenswerter ist es, dass schon am 19.Juni 1946 12 Männer der praktischen Pharmazie, darunter Dr. Eugen Unna, Apotheker und später Senator Jo von Fisenne und Apotheker Jobst Mielck unter der Führung von Dr. Paul Runge zusammentrafen, um in Hamburg die von Hermann Thoms in Berlin 1890 begründete „Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft“ neu zu gründen. Die Unterstützung dieser Männer der Praxis mit Sinn für die Wissenschaft ermöglichten Karl Kindler, er  war 1945 - 46 als Leiter einer chemischen Fabrik wieder nach  Hamburg zurückgekehrt,  1946 den Auftrag der math.- nat. Fakultät, ein Pharmazeutisches Institut neu zu gründen, zu erfüllen. Da die Staatsinstitute zerstört waren, fand Kindler in einem Flügel des Schlosses Reinbeck 

  mit Unterstützung der Hamburger Apothekerschaft  und der pharmazeutischen Industrie eine Unterkunft für die Pharmazie. Im SS 1946 begann der Vorlesungsbetrieb, im WS die Praktika, bezeichnenderweise mit 90 Praktikanten auf 45 Studienplätzen. Auch hier wäre also ein Festtag, allerdings der 52. , zu feiern. Aber wir nähern uns an, statt 4 nur noch 2 Jahre zu einem runden Geburtstag.

Ich möchte Ihnen hier einen akademischen Stammbaum der Pharmazie Hamburg  präsentieren . Bis 1966 war sie  institutionell nur die Pharmazeutische Chemie, ab dann mit der Pharmazeutischen  Technologie in einem Institut. Erst ab 1992,  durch Aufnahme der Pharmazeutischen  Biologie, wurde sie  zu einer 3/4 Pharmazie. Die Pharmakologie gehört ja, soll man sagen noch (?)  zum Fachbereich Medizin, da meines Wissens ein Prüfauftrag zur Verlagerung seit Jahren ruht.

 

(STAMMBAUM I) Eine gewisse Willkür, wessen Lebensdaten ich erwähne, werde ich mir dabei erlauben.  

Institutionen werden immer durch Menschen geprägt, so auch dieses Institut. 

Karl Kindler  geb. 7.9.1891 in Deutsch-Lissa, Studium der Naturwissenschaften und Chemie in Breslau und Innsbruck, chemisches Verbandsexamen, Promotion 1916 bei Gadamer in Breslau, 1923 Habilitation in Hamburg und 1928 apl. Professor in  Hamburg.

Die weiteren Lebensdaten wurden schon vorstehend erwähnt.    

Karl Kindler[5] wurde 1950 zum ordentlichen Professor ernannt und wirkte bis zu seiner Emeritierung 1959 in Reinbeck.

Aus dieser Zeit möchte ich aus dem ersten Studienführer der Universität von 1955 verkürzt zitieren, in dem  Kindler schrieb: „Die Ausbildung des Apothekers gliedert sich in drei Ab­schnitte, darunter ein Hochschulstudium von 6 Semestern, dass in absehbarer Zeit um 2 Semester verlängert werden dürfte“. Zitat Ende.

Wie wir wissen dauerte die „absehbare Zeit“ noch bei 1989.

Kindler - Schüler, die sich habilitierten und später Hochschullehrer wurden und eine Verbindung zur Hamburger Pharmazie hatten waren Herbert Oelschläger, der nach Frankfurt wechselte und heute als 77jähriger Altmeister der Pharmazie immer noch in Jena tätig ist, sowie  Dieter Matthies und Klaus Lührs, die in Ham­burg verblieben.

Zu Kindlers Nachfolger wurde von 1959 bis 1963 Felix Zymalkowski. Was vermutlich aber nicht allgemein bekannt ist, ist, dass Herbert Oelschläger als junger Privatdozent während einer schweren Erkrankung Kindlers für 13 Monate das Institut kommissarisch geleitet hat[6].

In der Amtszeit Zymalkowskis  wurden bereits die ersten Pläne für einen Neubau gemacht. Die Laboratorien im Schloß waren mit Holzfußböden und dem Mangel an Abzügen einfach nicht mehr zeitgemäß.

Bereits 1963 folgte Zymalkowski. einem Ruf nach Bonn[7]. Dabei folgten ihm eine ganze Reihe seiner Mitarbeiter, von denen er einige  schon aus Kiel mitgebracht hatte. 

Soweit auch sie „Hamburger Wurzeln“ oder eine „Hamburger Durchgangsstation“ hatten, sind sie im Stammbaum  aufgeführt[8]. Aus der Reihe der  Zymalkowski - Schülern verblieb nur Paul Messinger in Hamburg.

Noch 1963 wurde der Böhme - Schüler Norbert Kreutzkamp, aus Berlin kommend,  zum Ordinarius und Direktor des Instituts berufen. In seine Amtszeit fiel die Umsetzung der Planung des Institutsneubaus am Laufgraben, das dann später ohne Umzug zu Adresse Bundesstrasse wurde, da diese an der anderen Institutsseite vorbeiführte.

Hierbei möchte ich Ihnen eine persönliche Kostbarkeit präsentieren.

 Auf dieser von mir mit 17 Jahren  photographierten Bildersequenz sehen Sie die Neubauten der Chemischen Staatsinstitute. Kundige werden die Polizeikaserne entdecken, den Vorläufer - Bau der TMC. Sie sehen, ich wußte schon 1967, dass ich diesen Vortrag halten würde; wahrer Grund ist allerdings, dass mein Vater Architekt war und ich die Photos für ihn machte. Der eigentliche Umzug erfolgte dann 1969, also genaugenommen vor 29 und nicht 30  Jahren, aber immerhin das bisher beste Ergebnis, auf ein Jahr genau ein runder Geburtstag. Ich zeigt Ihnen hier bewusst

eine Zeichnung des Baues, wegen  der jetzt nötigen Sanierung schien mir dies angemessener als ein aktuelles Photo. Einige Wort über meinen verehrten Lehrer Professor Kreutzkamp.Wir alle kennen ihn,

vermutlich so:

 ohne brennende Orienttabak - Zigarette war er kaum zu sehen. Spötter behaupteten, dass die ungewöhnliche Marke, Senussi wenn ich mich recht erinnere, ausschließlich für ihn produziert würde.  Norbert Kreutzkamp[9] wurde am 28.08.1923 in Oberhausen im Rheinland als Sohn eines Hüttenbeamten geboren. 1942 Reifeprüfung, Apothekerpraktikant und Wehrmachtseinberufung. 1944 Vorexamen während eines Studienurlaubs, 1945 bis 1946 franz. Kriegsgefangenschaft, 1947 Pharmaziestudium in Marburg, 1950 Staatexamen und Approbation, 1952 Diplomprüfung in Chemie, 1952 Promotion bei Horst Böhme. 1957 Habilitation, Oberassistent in Marburg. Ab 1961 Extraordinarius an der FU - Berlin, 1963 Ordinarius in Hamburg. 1988 Emeritierung, am 28.06. 1994[10] in Hamburg verstorben.

Sein wissenschaftliches Werk[11] wurde von Professor Hanefeld in der DAZ 1988 gewürdigt, nur fünf weitere unter seiner Anleitung entstandene Doktorarbeiten[12]sind zu ergänzen. 

Mein erster persönlicher Kontakt mit der Hamburger Pharmazie und auch Professor Kreutzkamp datiert aus dem Jahr 1973. Ich studierte damals Lebensmittelchemie und wollte mir aus Neugierde eine Vorlesung in der Pharmazie anhören. So landete ich in der dritten Reihe des Hörsaals, man will ja gut sehen und hören, einer Kreutzkamp - Vorlesung. Wer solche Vorlesungen erlebt hat,  kann jetzt mein Erschrecken und Erstaunen nachvollziehen. Professor Kreutzkamp rief nicht nur Studenten zur Darstellung von Arzneistoffsynthesen an die Tafel, er stellte auch Zwischenfragen an die Studenten. Wie ich, allerdings erst später, herausbekam, nur an die ersten Reihen, in denen das 6. und 7. Fachsemester zu sitzen hatte. Aber ich habe damals eine Vorlesung lang  geschwitzt, wie ich antworten würde, wenn er mich plötzlich fragen würde, das Ereignis trat aber nicht ein. Später habe ich dann miterlebt, wie er, als kein Student eine bestimmte Synthese  hin bekam, „auch die Herrschaften in den weißen Kitteln“, das waren die Assistenten, die in den obersten Reihen saßen, Vorlesung beim Chef war Pflicht, aufforderte sich zu beteiligen und Eric Larsson, damals Assistentensprecher, an die Tafel kam und die Synthese vorführte. Aber er hatte auch andere Seiten, z.B. zu feiern verstand er, wie das Bild belegt.

Besonders erwähnen muss man dabei sein Stehvermögen. Ich hätte mich nicht getraut eine Wette einzugehen, er Korn, 1cl,  ich Bier, 10cl,  wer schafft mehr. Dennoch war er mit Sicherheit der erste im Institut und arbeitete, als ob keine Feier gewesen sei. Gewährsleute haben mir berichtet, dass er in früheren Jahren direkt von der Feier ins Labor zu gehen pflegte. 

Nun muss ich zu dem schwierigen Problem der Ko - Evolution mit der Biologie und der Technologie kommen. Auch hierzu möchte ich Ihnen einen Stammbaum

(STAMMBAUM 2) für die Biologie  und Technologie präsentieren.

Anders als an vielen Pharmazeutischen Instituten, gehörte die Pharmazeutische Chemie zur Chemie, später zum Fachbereich Chemie, die Pharmazeutische Biologie als Pharmakognosie zur angewandten  Botanik, später Fachbereich Biologie. Die Gründung eines Instituts für Pharmazie erfolgte, wie erwähnt, erst 1992, obwohl der Universitätspräsident die Verlagerung der Pharmakognosie bereits am 10.10 1986 entschieden hatte. Soweit ich es beurteilen kann waren die Beziehungen jedoch trotz der Fachbereichsgrenzen freundschaftlich-kollegial. Erste Hochschullehrerin für Pharmakognosie in Hamburg war Ilse Esdorn. Zu ihren Lebensdaten gleichfalls im Telegramstil: Am 08.01.1897 in Braunschweig geboren, Staatsexamen 1922 in Braunschweig, 1924 Promotion bei Gassner, 1930 Habilitation in Hamburg,  als erste Frau überhaupt für ein Pharmazeutisches Fach. Ernennung zur Professorin 1941.

Von 1950 bis 1962 zur Emeritierung Leiterin der Abteilung Pharmakognosie, am 05.09.1985 ist sie verstorben[13]. 

Die Übergangszeit bis zur Berufung Professor Sprechers ist mir nicht völlig klar. Wenn ich die Situation richtig recherchiert habe wurde die Pharmakognosie in dieser Zeit durch Professor Friedrich vertreten. An dieser Stelle lasse ich aber eine bewusste Lücke, die Kollegen der Pharmazeutischen Biologie haben demnächst ja auch „Feier-Verpflichtungen“ und dort muss es ja auch noch Neues zu berichten geben. 

Die Person des praktisch tätigen Apothekers Fritz Neuwald, geboren 13.04.1912, gestorben 29.12.198­4[14], ist besonders interessant, da sie einen Pharmakognostisch - Technologischen Link darstellt. Die Lebensdaten:  Staatsex. 1935, Prom. 1937 in Braunschweig bei Jaretzky, Approbation,  1938 Habilitation und venea legendi für Pharmakognosie 1949. Doch jetzt der Wechsel, ab WS 49/50 Lehre in Galenischer Pharmazie im Privatlaboratorium in Blankenese, ab 1953 in seiner gepachteten Apotheke, 1958 in seiner eigenen Apotheke in Bad Bramstedt. Dort wurden von ihm auch Studenten betreut und Doktorarbeiten angefertigt .Ab   1956 apl. Professor für galenische Pharmazie an der Universität  Hamburg.

Er war Inhaber einiger Patente zu eingeführten Produkten in der Fettchemie, z.B. Miglyol.

Die Angelegenheit scheint mir der Nachforschung durchaus  wert, allerdings in anderem Rahmen.

Im Jahre 1966, dieses Jahr auch kein runder Geburtstag zu 1998, also noch in Reinbeck, kam ein Ordinariat für Pharmazeutische Technologie in das Institut, das mit Heinz Sucker (Jg 1928) aus Erlangen besetzt wurde. Dieser vollzog für seine Abteilung den Umzug in den Neubau mit, bis er 1972, manche sagen verärgert über die Hamburger Situation, nach Basel in die Industrie wechselte. 1968 wurde Ewald Sprecher, von Karlsruhe kommend,  auf den Lehrstuhl berufen. Zu seinem Lebenslauf[15], möchte ich nur auf die Veröffentlichungen seiner Kollegen und Schüler zu seinen runden Geburtstagen verweisen. Aus seiner Schule ging z.B. auch Professor Karl-Heinz Kubeczka[16] hervor. Einen weiteren, leider viel zu früh verstorbenen Hamburger Hochschullehrer gilt es in Professor Kraus zu erwähnen.

Seine Lebensdaten: Ljubomir  Kraus wurde am 02.07. 1923 in Prag geboren, 1942 Abitur und mehr als 15 Monate KZ-Aufenthalt, 1948 Magisterprüfung, 1951 Promotion. Bis 1952 an der Universität, bis 1968 am Institut für Arzneimittel in Prag. Ab 1968 Gastdozent und Mitarbeit am DC-Projekt bei Egon Stahl in Saarbrücken Durch die Ereignisse in seiner Heimat, und um ein Missverständnis wegen des Namens auszuräumen, nicht deutsch-stämmig, Verbleib in Deutschland. 1973 Ruf als wissenschaftlicher Rat und Professor nach Hamburg, 1975 als Professor am Lehrstuhl für Pharmakognosie, 1988 Leiter der Pharmakognosie, nach seiner Pensionierung Rückkehr nach Saarbrücken, dort im 2. und 3. Abschnitt der Pharm. Prüfung, als Buchautor und Vortragender tätig, am 21.08.1994 verstorben[17]. Sein wissenschaftliches Werk[18] wurde von Professor Sprecher  in der DAZ 1988 gewürdigt und 1993 ergänzt.       

Professor Kraus war der erste Hochschullehrer, den ich 1975  in einem Praktikum leibhaftig, ich sage das bewusst, als Betreuer erlebte. Er begeisterte mich durch sein Engagement und Wissen und beruhigte mich, als aus der Chemie zur Pharmazie gekommenen dadurch, dass ich ihn als Phytochemiker und nicht als Systematiker wahrnahm. In seinen letzten Lebensjahren haben sich unsere Wege, wie dies Bild 

vom 75. Geburtstag des tschechischen Arzneimittelinstituts im Jahre 1993 zeigt, wieder gekreuzt. Ich glaube, dass die ihm dort zuteil gewordene Ehre, als Ehrenmitglied des wissenschaftlichen Kollegiums seines alten Instituts ernannt zu werden, ihm fast mehr als die Verdienstmedaille, die er als UN-Berater für sein Engagement für Osteuropa nach der Wende erhielt, bedeutete. Sein selbstloses Wirken  für den Osten nach dem Umbruch im Allgemeinen und für seine Heimat im Besonderen habe ich sehr bewundert. Ich durfte damals Tsche­chien beim Aufbau eines modernen Arzneimittelgesetzes beraten und noch heute,  zuletzt am 5. und 6. 10 diesen Jahres als Gäste in Köln, beim Aufbau eines Medizinprodukteinformationssystems. So ist von den Ideen, die wir damals zusammen entwickelten, nach seinem Tod doch etwas bis heute geblieben.

Im Jahre 1973[19] übernahm  Jobst  B. Mielck, (Jg.1938) die Professur für Pharmazeutische Technologie,  die er bis heute innehat.    Halt !

Hier haben wir ein Jubiläum, 25 Jahre Lehrstuhlinhaber, verknüpft mit  Professor Mielck, man wird sicher heute noch darauf zurückkommen. Näher lernte ich das Institut für Pharmazeutische Chemie dann kennen, als ich 1974/75 begann, auch Pharmazie zu studieren. Als eine sehr frühe Erfahrung ist mir eine Fahrstuhlfahrt mit einem jungen Mann in Erinnerung, den ich nach dem Zimmer von Dr. Hanefeld, damals zuständig für die Quereinsteiger, fragte. Fast hätte ich ihn, wie damals unter Kommilitonen üblich, ob seines jugendlichen Aussehens geduzt, nur die Tatsache, dass er eine Fliege trug, verhinderte dies. Ich gehe davon aus, das Sie alle wissen, dass ich um Haaresbreite den Ordinarius für Pharmazeutische Technologie geduzt hätte. Er antwortete mir übrigens freundlich. Bis heute quält mich jedoch die Frage, ich habe sie ihm nie gestellt, wie er reagiert hätte, vermutlich in der ihm eigenen souveränen Art.

 In meine Assistentenzeit fallen dann, neben lustigen Laborfeten,  für die es immer einen Anlass gab und die  sicher ein Horror nach heutigen Sicherheitsbestimmungen waren, auch Aufräumarbeiten für die Studenten,

 hier nach Explosion einer auch damals schon illegalen Flasche undefinierter Lösungsmittelreste. Beim Zusammenfegen der Glassplitter hatte ich übrigens prominente Hilfe,

den schon erwähnten Eric Larsson, hier stellvertretend für die Vielzahl Hamburger Doktoranden, die später in der Industrie Karriere machten.

Vermutlich 1979 ein herausragendes Jahr in der Geschichte des Instituts,

da hier die Jahrestagung der DPhG, also am Ort ihrer Wiedergründung  nach dem Krieg, bisher erste und einzige Jahrestagung der Pharmazeutischen Gesellschaft in Hamburg, statt fand.

Wir Assistenten waren zum Diaschieben eingeteilt und konnten somit leider nicht immer die Vorträge unserer Wahl hören. Dennoch war alles, was Rang und Namen in der Deutschen Pharmazie hatte und hat, vertreten.

Aber auch die nächsten Hamburger Wissenschaftlergenerationen möchte ich erwähnen, daher hier die Komplettierung des Stammbaums.

( STAMMBAUM 3)

Wolfgang Hanefeld, Schüler Kreutzkamps, heute in Marburg, Jochen Lehmann, Addoptivschüler Zymalkowskis, nach 5 jährigem Zwischenspiel heute wieder in Bonn, ich selbst. Wenn Sie übrigens andere Jahreszahlen in Erinnerung haben, wegen Ruferteilung, Annahme und Dienstantritt ist die Zuordnung der Daten, alle stammen aus der DAZ, manchmal schwierig. Als Nachfolger von Norbert Kreutzkamp wurde dann 1989 der Zinner - Schüler Detlef Geffken (17.04.1943) nach Stationen in Braunschweig und Bonn nach Hamburg berufen, der heute die Geschicke des Instituts leitet. Fast wäre Professor Geffken schon früher nach Hamburg gekommen, eine Vertretungsprofessur hatte er schon wahrgenommen, aber bei den gleichzeitigen Rufen Hamburgs und Bonns entschied er sich , Gott sei Dank, für letzteren. Wieso Gott sei Dank ?  Nun weil wir, ich sage bewusst wir, da ich am Verfahren beteiligt war,  ihn somit später als Kreutzkamp - Nachfolger berufen konnten. Als Zugereister aus Berlin ist dann noch Hans-Jürgen Duchstein zu erwähnen und als vorläufig letztes Blatt am Stammbaum Barbara Matuszcak, eine Matthies-Schülerin, die sich dieses Jahr bei Professor Heinisch in Innsbruck habilitiert hat.

The story is to be continued.

Die nächsten Bilder zeigen die Kollegen, die Hamburg wieder verlassen haben.

Wolfgang Hanefeld (23.08.1941) Rechts im Bild. Soweit ich recherchieren konnte sind in seiner Hamburger Zeit  5 Dissertationen und mindestens 32 Publikationen entstanden, ich selbst, Mitte, 29 Publikationen, 1 Diplom und 2 Doktorarbeiten und ein Buch;  und

Jochen Lehmann auf seiner grandiosen Abschiedsfeier für das ganze Institut mit seiner Jazz-Band, mit Saxophon. Aus seiner Zeit in Hamburg stammen mindestens 3 Doktorarbeiten und 8 Publikationen. Leider sind die Hamburger Forschungsberichte nicht immer vollständig, so dass u.U. mehr Arbeiten zu erwähnen wären. Weiterhin ist

Dieter Matthies, der 1993 krankheitsbedingt in den vorgezogenen  Ruhestand ging, hier rechts auf einem Arbeitskreisausflug 1979, zu nennen. Aus seiner Zeit in Hamburg stammen 17 Doktorarbeiten, 1 Diplomarbeit, mindesten 30 Originalarbeiten und sein Buch „Biochemische Formelsammlung“. Übrigens  sehen Sie hier auch, ich bin auch mal schlank gewesen.

Auch der Stammbaum von Biologie und Technologie ist zu komplettieren.

(STAMMBAUM 4) Als Schülerin von Professor Kubeczka ist Elisabeth Stahl-Biskup anzuführen, die bis heute am Institut als Professorin in guter Tradition nach Frau Esdorn tätig ist, dann Karl-Heinz Kubeczka selbst, der nach Stationen in Hamburg und Würzburg seinem Lehrer Ewald Sprecher als Lehrstuhlinhaber nachfolgte, und in dessen Amtszeit die Gründung des Institutes für Pharmazie 1992 fällt, sein Schüler Wulf Schultze , die Kraus-Schülerin Gesa Reher sowie die Addoptiv-Schülerin von Professor Mielck, Frederike Podczek. Als mein vorletztes Bild

habe ich Ihnen Unterschriften einiger Hamburger Hochschullehrer zusammengestellt, leider hatte ich nicht von allen Schriftproben. Wer alle zuordnen kann und dies mir nachher mitteilt, gewinnt eine Einladung zu mir nach Köln.

Zu meinem Fazit, was ist an der Hamburger Pharmazie besonders, was hat sie der Pharmazeutischen Wissenschaft gegeben ? Von meiner Herkunft als Pharmazeutischer Chemiker blicke ich dabei, ich bitte um Vergebung,  einseitig auf die Pharmazeutische Chemie, die Technologie lasse ich aus aktuellem Anlass aus, die Pharmazeutische Biologie traue ich mich nicht zu beurteilen. Nach dem Krieg sind aus Arbeitskreisen deutscher Hochschulinstitute nur selten direkt in die Praxis eingeführte Produkte hervorgegangen. In soweit bin ich stolz, dass aus meinem Heimatinstitut indirekt über Herrn Oelschläger, der seine Ausbildung in Hamburg erfuhr, mit dem Fomocain, bereits 1967 eingeführt und bis heute in ERBOCAIN-Salbe im Handel,  und Herrn Geffken, durch dessen Erschließung der Stoffklasse der 3-Amino-oxazollidino-2,4-dione und der Einführung eines Breitspektrumfungizids gegen phytho-pathogene Pilze 1998,  sogar für zwei Produkte dieses seltene Ereignis eintrat.

Zu beiden Herren fühle ich mich übrigens wissenschaftlich verwandt, wenn auch als „verarmter Zweig“ der Familie, da  ich heute als Medizininformatiker tätig bin.

Beweis:  Kindler (Vater) ----> Oelschläger/Matthies (Söhne) und ich Enkel bezüglich der Promotion; 

Böhme (Großvater) ----> Zinner/ Kreutzkamp (Väter) und Geffken/Schweim (Sohn und Addoptivsohn) bezüglich der Habilitation. Wer kann sich noch solcher bedeutender wissenschaftlicher Verwandte rühmen ?

Hamburg hat darüber hinaus eine bedeutende Tradition in solider präparativer Chemie und genau damit Erfolg, nicht mit der Verfolgung kurzlebiger Moden.

Ich sage voraus, dass dieser Weg noch weitere Erfolge zeitigen wird.

Doch weder Fomocain noch Famoxadon können der wahre Anlaß für unsere Feier ein, obwohl da letztere ob seiner Bedeutung sicher Anlaß gäbe, aber es ist einfach noch zu neu. Ihnen sind meine Andeutungen sicher aufgefallen.

Wir  finden mit dem Geburtsdatum von Herrn Professor Mielck den verbindenden Anlass für alle Daten und die Rechtfertigung für unsere Feier.

Auf meinem Bild sehen sie auch die vereinende Kraft, die Herr Professor Mielck ausstrahlt.

Hier legt er beruhigend seinen Arm um einen Doktoranden der Pharmazeutischen Chemie, den er gerade geprüft hat. Ich finde, das Bild versinnbildlicht, wie Professor Mielck in seiner Zeit als Geschäftsführender Direktor sich um das ganze Institut bemüht und verdient gemacht hat. In Herrn Professor Mielck einen verdienten Wissenschaftler und Hochschullehrer ehren zu können, der, so der Zufall will, heute 60ten Geburtstag hat und dieses Jahr 25 Jahre Lehrstuhlinhaber ist,  ist sicher Grund genug für eine Trippelfeier mit  30 Jahre Pharmazie an der Bundesstraße.

Damit möchte ich Ihnen, Herr Professor Mielck, meine persönlichen Glückwünsche aussprechen und Ihnen, meine Damen und Herren, für die Geduld mit mir danken.                   

 

Schriften

[1]

Mein  Wissen über die Zeit bis 1968 stammt, wenn nicht anders erwähnt, aus:

R. Schmitz, Die Deutschen Pharmazeutischen Hochschulinstitute, Deutscher Apoth. Verlag Stuttgart 1969.

[2]

Wilhelm Göhlich, geb. 21.08.1864 in Breslau, gest. 22.07. 1928 in Hamburg, Apotheker, Prom.1915, titl. Professor 1920, Lehrbeauftragter a. Chem. Staatsinst. f.   Angew. Chem., Vorst. d. Untersuchungsamtes Hamburg  

[3]

Aus: B. Beyerlein, Pharmazie als Hochschuldiziplin, Wiss.Verl.Ges. 1991 S. 17 zit. Lit.

[4]

Karl Hufbauer, The formation of the german chemical community (1720 - 1795), Bekley 1982.

[5]

Wie 1

[6]

PZ 104, v. 10.12.1959

[7]

PZ 108, v. 14.02.1963

[8]

DAZ 123, 2230 (1983)

[9]

aus: W. Hanefeld, 60 Jahre,  DAZ, 123, 1590 - 1591 (1883) 

[10]

F.-C. Cygan, Nachruf, DAZ 134, 2708 (1994)

[11]

65 Jahre, DAZ  33, 1726 -1727 (1988)

[12]

„Zur Kenntnis neuartiger Amide und Hydrazide der Thiokohlensäure und Kohlensäure“, Detlev Liermann, Hamburg 1987

„Über den Einfluß ß-ständiger funktioneller Gruppen im Esterteil von Dithiourethanen auf die fungistatische Wirkung“, Matthias Bayer, Hamburg 1988

„Zur Kenntnis von Dithiourethanen mit heterocyclischem Esterteil“,  Anja Sierwald, Hamburg 1989

„Neue Synthesen substituierter Thiosemicarbazide und verwandter Verbindungen“,  Matthias Gäbelein, Hamburg 1990

„Über die Synthese und Wirkung von Thioamid-Derivaten mit fungiziden Eigenschaften“, Heidi Elisabeth Horst, Hamburg 1991

[13] R. Bassler, Nachruf, DAZ 125, 1939 (1985)
[14] K. Teuber, Nachruf, DAZ 125, 1050 (1985)
[15] 65 Jahre, DAZ 127, 2373 (1987); 70 Jahre, DAZ  132, 2546 (1992)
[16] E. Sprecher ,60 Jahre, DAZ  140, 1161 (1995)
[17] Nachruf, DAZ  134, 3372 (1994)
[18] 60 Jahre, DAZ 123, 1411 -1413 (1988);  70 Jahre, DAZ 133, 2436 (1993)
[19]

Nachtrag: Der offizielle Dienstantritt erfolgte erst 1974 (pers. Mitteilung von Prof. Mielck)


 

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