Acylierte Harnstoffe als Transcabamoylierungsreagentien
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
welchen Weg zu neuen potentiellen Chemotherapeutica
habe ich mir überlegt ?
Anknüpfend an die bekannten Erkenntnisse habe ich mir
für meine Untersuchungen die Isocyanate ausgewählt und möcht die Gründe dafür
erläutern.
Isocyanate können mit nucleophilen Gruppen in
biologisch wichtigen Molekülen stabile Addukte bilden.
Damit sind häufig pharmakologische Effekte, oft toxischer Art[1], verbunden. Daher können diese Verbindungen nicht direkt therapeutisch genutzt werden
Bei vielen Entwicklungen synthetischer
Chemotherapeutica zeigt sich in der Anwendung meist, daß chemisch hoch
reaktive Strukturen wegen ihrer oft unspezifischen Wirkungen nicht
einsetzbar sind.
So hatten sich bei der Entwicklung von Pharmaka auf
der Basis von Senfölbildnern gerade die in vitro hoch wirksamen Stoffe in
vivo als unbrauchbar erwiesen, da sie zu leicht zu Senfölen
zerfallen und damit in der Anwendung die gleichen Probleme, wie z.B.
Reizwirkungen und Unverträglichkeiten, wie diese aufweisen[2].
Somit kann man im allgemeinen Verbindungen mit
abgeschwächter chemischer Reaktivität als "aussichtsreichere
Kandidaten" für potentielle Arzneistoffe ansehen.
Isocyanate sind potentiell als germicide Stoffe
geeignet, wenn es gelingt, ihre toxischen Effekte selektiver und moderater zu
gestalten.
Weiterhin gibt es Hinweise auf den Mechanismus[3]
der Wirkungen von Isocyanaten.
Zielmoleküle sollen in diesen Fällen Amino- und
Amidogruppen von Proteinen sein, womit auch ein Angriffspunkt für erwünschte
pharmakologische Wirkungen denkbar ist.
Ferner kennt man eine größere Zahl sehr
unterschiedlich konstruierter Verbindungen, die als Isocyanatpräkursoren
nutzbar sind.
Einige von ihnen, unter Ausklammerung cyclischer
Derivate, sind im folgenden Bild zusammengestellt[4].
B14 [Verschiedene Isocyanatspalter]
Diese und andere "verkappte Isocyanate",
besonders aus der Reihe der Diisocyanate, werden für Polymerisationsreaktionen
großtechnisch genutzt, da ihr Zerfall thermisch auslösbar ist. Die Nutzung
derartiger Abspaltungseigenschaften für
pharmakologische Zwecke ist hingegen meines Wissens bisher noch nicht
untersucht worden.
Als Untersuchungsobjekt erschienen mir die
N-substituierten, N'-acylierten Harnstoffe besonders geeignet. Für sie spricht,
daß die Harnstoffpartialstruktur in einer großen Zahl von bekannten
Arzneistoffen enthalten ist. Es scheint daß Harnstoffe, möglicherweise wegen
ihrer Verwandtschaft mit natürlich auftretenden Verbindungen, zu den
"biologisch tolerierbaren" Strukturen gehört. In gängigen Lehrbücher
und in zusammenfassenden Artikeln
werden Harnstoffderivate mit :
anaesthetischer,chemotherapeutischer, pesticider,
antidiabetischer, antidepressiver, antituberkulöser, hypoglykämischer,
antikonvulsiver, antineoplastischer sowie hypnotischer Wirkung sowie als
Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmittel beschrieben.
Es sprengte diese Darstellung, alle Anwendungen mit
Strukturbeispielen zu belegen. Daher will ich nur auf einige Beispiele aus der
Arzneimittelchemie hinweisen.
B15 [Arzneistoffbeispiele]
Mit diesen, zum Teil in Heterocyclen eingebundenen
Harnstoffstrukturen möchte ich Ihnen zeigen, wie breit alleine die Anwendungen
als Chemotherapeutica sind.
Hierbei bitte ich besonders das Krebstherapeuticum
Carmustin zu beachten.
Das folgende Bild
B16 [omputersimulation Carmustin]
zeigt das Molekül, welches in meinen
Ausgangsüberlegungen eine zentrale Rolle spielte, in der Computersimulation.
Im nächsten Dia
B17 [Carmustin Wirkmech.]
sehen Sie die vermutete Erklärung der Wirkung.
Hierbei wird in der Literatur immer nur auf das
"alkylierende Carbeniumion" abgehoben, das mitentstehende Isocyanat
wird nicht besonders beachtet.
Gleichfalls weitgehend unbeachtet scheint auch eine
Veröffentlichung von H.E.Kann, K.W.Kohn und J.M.Lyles in der "Cancer
Research" von 1975 geblieben zu sein, die schreiben : "The isocyanat
seems to be important since other N-nitroso-ureacompounds have little or no
activity. [Das Isocyanat scheint wichtig zu sein, da andere N-Nitrosoharnstoffe
geringe oder keine Wirkungen haben.]"
Ziel eines Teils meiner Untersuchungen war daher,
Substanzen zu finden, die als Isocyanatpräcursoren fungieren können und diese
auf zellteilungsbiologische Aktivität zu prüfen.
Die N-substituierten, N'-acylierten Harnstoffen, sind
als Stoffklasse schon seit über 100 Jahren bekannt.
Ihre Darstellung erfolgte meist durch
Zusammenschmelzen der Ausgangsstoffe, Erhitzen von Amiden in flüssigen
Isocyanaten oder Umsetzung beider Komponenten in hochsiedenden Lösungsmitteln.
Weitere Zugangswege bieten die Umsetzung von Acylisocyanaten mit Aminen, die
Acylierung von Harnstoffen sowie ein modifizierter Hofmann - Abbau.
Ich habe, in etwas abgewandelter Form,
B18 [Darstellungswege f. Acylureas]
als Hauptzugangsweg die Umsetzung von Säureamiden mit
Isocyanaten gewählt, meist mit befriedigenden bis guten Ausbeuten. Daneben
wurde für einige Derivate, für die erstere Methode nicht anwendbar ist, das
Verfahren der Umsetzung von Acylisocyanaten mit Aminen oder aminanalogen
Verbindungen verwendet.
Nach beiden Methoden ist eine erwünschte breite
Variation der Reaktionspartner möglich.
B19 [Ergebnisse erster Spaltungen]
Schon bei ersten modellhaften Spaltungsversuchen
zeigte sich, daß die beiden prinzipiell denkbaren Spaltungswege zu Isocyanaten
und Acylisocyanaten zur Beschreibung des wesentlich komplexeren
Spaltungsverhaltens nicht ausreichten.
Während im Falle der Piperidinolyse der Verbindung X =
H sowohl Produkte eines Isocyanat- als
auch Acylisocyanat- Zerfallsweges beobachtet werden konnten, wurde im Falle der
Verbindung X = Cl nur ein analoges Acylisocyanat- Produkt gefunden. Da
die Umsetzungen unter sonst gleichen Bedingungen durchgeführt wurden und die
Aufarbeitung "low - bar"- säulenchromatographisch mit
Wiederfindungsraten der eingesetzten Substanzmengen > 80 - 90 % erfolgte,
konnte der Zerfallsweg in diesem Fall nur von den Substituenten am Aromaten
abhängig sein.
Um die Substituenteneinflüsse abzuklären, wurden
umfangreich verschieden substituierter Verbindungen unter Berücksichtigung der
Taft und Hammett - Parameter
hergestellt.
Das Zeigen entsprechender langer Tabellen möchte ich
Ihnen jedoch hier und auch im Folgenden ersparen.
Diese wurden dann in Spaltungsuntersuchungen in ihrem
Verhalten gegen verschiedene Nucleophile getestet. Um die Zahl der sich
ändernden Parameter nicht zu groß zu gestalten, wurden dazu
"Standardbedingungen" bezüglich Lösungsmittel, Temperatur,
Aufarbeitung u.a. definiert und angewendet.
Zusätzlich wurden Parallelversuche ohne
Nucleophil angesetzt, um einen thermischen Zerfall ausschließen zu können. Es
gelang mir, dazu ein Verfahren zur situ - IR - Spektroskopie zu entwickeln. So
konnten die Spaltungsansätze während der Reaktion mit und ohne Nucleophilzusatz
verfolgt werden. Nach Aufnahme eines Bezugsspektrums wurden Testlösung und
Lösungsmittelvergleich direkt aus dem Ansatz durch ein IR-Geräts geleitet und
im überlagerten Verfahren alle 5 bzw. 10 min ein Differenzspektrum
aufgezeichnet. Um Rückreaktionen zu erkennen wurde das Erhitzen abgebrochen und
bis zum Erkalten weiter registriert.
Bei Ansätzen ohne Nucleophil konnte so für den
Isocyanatweg durch das Fehlen eines entsprechenden Banden im IR Spektrum ein
Zerfall durch thermische Dissoziation in freies Isocyanat und Amid und
Erklärung des Spaltungsverhaltens über diesen Weg ausgeschlossen werden.
B20 [Spektrum 1]
Dargestellt ist eine 60 fach wiederholte Registrierung
des Spektrums im 5 min Abstand. Sie zeigt, daß die Verbindung über den gesamten
Meßzeitraum stabil ist. Auf weitere Einzelheiten werde ich an einem späteren
Beispiel eingehen.
Als in vitro Modellsubstanzen für in den reaktiven
Zentren von Enzymen häufig anzutreffenden SH- bzw. NH- Funktionen wurden für SH
Thiophenol und Benzylmercaptan, für NH verschiedene Amine und Imidazol
verwendet.
Die Selektivität der Spaltung war erfreulich.
Reaktionen mit OH-, SH- Nucleophilen und CH- aciden Substanzen trat nicht ein.
Da die toxischen Effekte von Isocyanaten, wie erwähnt, wesentlich auf die
Reaktion mit Aminogruppen von Biomolekülen zurückzuführen sind, ist hier eine
wichtige Eigenschaft der "Wirkform" in der potentiellen
"Transportform" erhalten geblieben.
Um den Einfluß der Basizität der eingesetzten Amine
abzuklären, wurden Imidazol, Anilin, Benzylamin, Cyclohexylamin, Piperidin und
Morpholin erprobt. Während sich die Substanzen gegen Anilin und Imidazol inert
verhielten, gab es Unterschiede zwischen den primären Aminen auf der einen und
den sekundären Aminen auf der anderen Seite. Innerhalb der Gruppen gab es keine
Unterschiede, so daß die Untersuchungen auf Benzylamin als primäres und
Piperidin als sekundäres Amin beschränkt werden konnten.
B21 [Übersicht Spaltwege]
Neben den erwähnten Hauptreaktionswegen können eine
Reihe von "Nebenwegen" auftreten. Nebenwege bedeutet hierbei nicht
Nebenprodukte, die Produkte sind Haupt- oder einziges Reaktionsprodukt.
Als Ausweichreaktionen ( Weg e) treten
bei geeignet konstruierten Verbindungen Substitutionen von Halogen oder
Additionen an Doppelbindungen im Rest R1 auf. Im Falle
entsprechender aliphatischer Reste R2 ist dies die einzige zu
beobachtende Reaktion.
Bei ausreichender NH- Acidität werden auch
Salzbildungen ( Weg d) mit den zur Spaltung gedachten Aminen beobachtet.
Wenn es sich beim Acylrest um einen Formylrest
handelt, wird abweichend vom üblichen Spaltungsverhalten nur eine Abspaltung ( Weg
a) oder Übertragung (Weg b) des Acylrestes auf das Amin
beobachtet.
Auf die ungewöhnliche Halogenverschiebungsreaktion ( Weg
c), die noch Gegenstand
eingehender Untersuchungen ist, möchte ich an dieser Stelle nicht näher
eingehen.
Die folgende Grafik
B22 [Grafik 1]
zeigt einen Überblick über die Spaltungsrichtung und
Ausbeute an einigen Beispielen in Abhängigkeit vom Elektronenzug der
Substituenten. Die X-Achse ist nach dem elektronischen Einfluß geordnet und mit
Versuchsnummern beschriftet. Beachten Sie bitte das Auftreten von sowohl
Isocyanat als auch Acylisocyanatprodukten beim N-Phenyl-N'-benzoyl-harnstoff
Verb. 1023 .
Um das beobachtete vielfältige Spaltungsverhalten
einheitlicher zu gestalten, wollte ich durch Blockierung an N'- bzw. N- gemäß nachfolgendem Schema
B23 [Blockierungstypen I und II]
jeweils eine der denkbaren
Spaltungsmöglichkeiten verhindern.
Bei Verbindungen des Typs I sollten
Acylisocyanate und bei Verbindungen des Typs II Isocyanate durch die
Blockierung nicht auftreten können.
Zur Darstellung sind mehrere Zugangswege theoretisch
vorstellbar. So sollten Derivate des Typs I formal aus N-substituierten
Carboxamiden und Isocyanaten zugänglich sein.
Während sich jedoch Carboxamide problemlos mit
Isocyanaten umsetzen, versagt die Reaktion mit den meisten N-substituierten
Amiden ausser den Lactamen.
Eine Erklärung für dieses Verhalten soll nach
Literaturangaben[5]
in der "zu geringen Basizität" der Amide zu suchen sein.
Als Beispiele der Derivate des Typs I
untersuchten wir Umsetzungsprodukte zwischen Isocyanaten und N-substitierten
Amiden sowie Lactamen. Es gelang dabei erstmals sowohl N-Methyl- als auch
N-Phenyl-formamide mit Isocyanaten umzusetzen. Dies erinnert an Befunde von
Möhrle und Spillmann an N-Mannichbasen, wo sich gleichfalls substituierte
Formamide, im Gegensatz zu anderen sekundären Amiden, einsetzen lassen.
In den Spaltungsuntersuchungen der N-substituierten
Formamid - Isocyanataddukte zeigte sich ein differenziertes Bild, je nach
Substituent R am Stickstoff des ursprünglichen Formylrestes.
B24 [Spaltung der sek. Formamide]
Nur Derivate des Formanilids ergaben über
Isocyanatspaltung erklärbare Produkte, Derivate des N-Methylformamids erwiesen
sich, wie die N- unsubstituierten Derivate, als Transformylierungsreagentien.
Die IR-spektroskopische Kontrolle der Spaltungsansätze
ohne Amin ergab für die Formanilidderivate das Auftreten eines Isocyanatpeaks,
so daß ein thermisch induzierter Zerfall nicht auszuschließen war.
Bei der Untersuchung der Lactam - Isocyanataddukte
erwies sich die Spaltung von der Ringgröße des Lactamringes abhängig, wie die
folgende Grafik zeigt.
B25 [Grafik 2]
Kleinringige Lactamderivate ( < 5 Kohlenstoffe)
waren stabil, größere ergaben die erwünschten Spaltprodukte. Die Ausbeuten an
Spaltprodukt korrelierten mit der Ringgröße und dem Einfluß des Substituenten R
(X-Achse nach Ringgröße geordnet).
Die "in situ"-IR-spektroskopischen
Untersuchungen der Produkte ohne Nucleophilzusatz waren enttäuschend, da die
Spektren den Isocyanaten zuzuordnende Banden aufwiesen, wie ich am
nachfolgenden Beispiel erläutern möchte.
B26 [Spektren 2] vergl. Arbeit !
Spektrum 2a zeigt den Ausgangszustand. Spektrum
2b ein unter gleichen Bedingungen aufgenommenes Spektrum von
Phenylisocyanat. Spektrum 2c zeigt das durch wiederholte Registrierung
während des Erhitzens gewonnene Spektrum mit dem anwachsenden Isocyanatpeak.
Spektrum 2d zeigt den auch nach Beenden des Erhitzens anhaltenden
Endzustand.
Daher waren diese Verbindungen für den angestrebten
Untersuchungszweck ungeeignet.
B27 [Blockierungstypen III u. IV]
Am arylsubstituierten Stickstoff blockierte
Verbindungen waren durch Umsetzung von Acylisocyanaten mit sekundären Aminen
erhältlich. ( Oberer Teil des Dias.)
Leider zersetzten sich einige der Produkte schon nach
kurzer Zeit unter blauer Verfärbung. Dies entspricht Befunden von Kiemstedt und
Sundermeyer[6]
an Umsetzungsprodukten zwischen Trifluoracetylisocyanat und N,N-Diphenylamin.
Derivate, mit für die Untersuchungen ausreichender
Stabilität ergaben in guten Ausbeuten ausschließlich Produkte, die über einen
Acylisocyanatweg erklärbar sind.
Als weitere Möglichkeit zur Herstellung blockierter
Derivate sollten Substanzen mit den im unterem Teil des Dias abgebildeten
Baumustern untersucht werden.
Nach unseren bisherigen Erkenntnissen waren vom Typ
III Isocyanat, vom Typ IV Acylisocyanatpräkursoreigenschaften zu
erwarten.
Die Verbindungen des Typs III sind durch Umsetzung von Ketiminen mit
Phosgen und Aminolyse der Carbamoylchloride oder aus Ketiminen mit Isocyanaten
herstellbar, wobei ich aus praktischen Erwägungen den letzteren Weg für die
Synthesen wählte.
Von den Umsetzungsprodukten waren meines Wissens
bisher nur einige Diphenylmethylenharnstoffe beschrieben und von der russischen
Arbeitsgruppe[7]
in Aminolyseuntersuchungen getestet worden. Als Ergebnis werden Additionen an
die Doppelbindung beschrieben.
Wir haben diese Untersuchungen aufgegriffen und sowohl
nach der Originalvorschrift, als auch mit unseren
"Standardbedingungen" bei der Aminolyse nur Produkte eines
Isocyanatweges und kein Additionsprodukt gefunden.
B28 [Russen/Wir]
Dabei lagen die säulenchromatographisch bestimmten
Gesamt-wiederfindungsraten > 80 - 90 % .
Bei den nachfolgenden Spaltungsuntersuchungen wurden
mit SH- und OH- Nucleophilen sowie Imidazol, keine Spaltprodukte, mit NH-
Nucleophilen die Produkte eines Isocyanatweges in Ausbeuten > 80 % bis 100 %
erhalten. Ein unterschiedliches Spaltungsverhalten durch den Wechsel von
primärem zu sekundärem Amin war nicht zu beobachten. Ohne Nucleophilzusatz
erwiesen sich die Substanzen als stabil.
B29 [Derivate Typ IV]
N-Acyl- N'- alkylidenharnstoffe des Typ IV sind
meines Wissens bisher noch nicht beschrieben worden. Wir konnten sie unter
milden Bedingungen bei -15 oC in absolutem Tetrahydrofuran aus
Ketiminen und Acylisocyanaten erhalten.
In den Spaltungsuntersuchungen erwiesen sich die
Verbindungen einerseits in Abwesenheit von Nucleophilen, auch in den in situ
IR- Untersuchungen, als stabil, mit Aminen gaben sie andererseits, wie
erwartet, in Ausbeuten über 80 bis 99% die Produkte eines
Acylisocyanatweges.
Eine Besonderheit stellen in diesen Reihen Addukte
zwischen Acylisocyanaten und Isopropylphenyketimin dar.
Nach neueren Untersuchungen liegt
Isopropylphenylketimin in der Iminoform und nicht in einer denkbaren
Enaminostruktur vor. Die Additionsprodukte mit Acylisocyanaten lagern sich nach
1H-NMR- Untersuchungen
B30 [Spektrum 3]
jedoch vollständig in die Enaminoprodukte um, wie es
für derartige tautomeriefähige Systeme zu erwarten ist.
Das Auftreten der beiden isolierten Methylsignale
beweist das Vorliegen der Verbindung in der Enaminoform.
B31 [Ablauf d. Spaltung]
In den Spaltungsuntersuchungen ergaben sie hingegen
ausschließlich Produkte des Acylisocyanatweges, was eine Reaktion aus den
Alkylidenharnstoff - Tautomeren gemäß dem gezeigten Schema nahelegt. Dies wird
zusätzlich dadurch gestützt, daß Produkte einer denkbaren Enisocyanatspaltung
nicht beobachtet wurden. Damit unterscheiden sich diese Verbindungen erheblich
von anderen bekannten Derivaten mit formal vergleichbaren
C=N-Doppelbindungssystemen.
Wegen der als nachteilig empfundenen notwendigen
Beschränkung auf Ketimine wurden
B32 [Imidate u. Isocyanate]
im Weiteren zur Erzielung blockierter Derivate
Umsetzungsprodukte von Imidaten (auch Imidoester genannt) und Isocyanaten
hergestellt und untersucht.
Im Gegensatz zur sonst breiten Bearbeitung der Imidate
sind Umsetzungen mit Iso- und Acylisocyanaten meines Wissens bisher noch nicht
vorgenommen worden[8].
Imidate sind durch die bekannte "Pinner -
Reaktion" als Hydrochloride meist gut erhältlich, die freien Basen
hingegen überwiegend nur kurzzeitig stabil. Wir stellten erstere daher nach
einem modifizierten literaturüblichen Verfahren her, und setzten sie
als Basen sofort nach der Freisetzung aus den Hydrochloriden ohne weitere
Isolierung um.
Die Reaktion in Tetrahydrofuran bei -15oC
verläuft erstaunlich glatt, wobei die Ausbeuten zwischen > 40% bis > 90%
lagen.
Als Isocyanatkomponente waren nur Arylisocyanate
einsetzbar. Wenn R1 und/oder R2 aliphatisch sind, werden
ausschließlich die aus der Reaktion der
entsprechenden Isocyanate mit sich selbst erklärbaren symetrischen Harnstoffe
isoliert.
Der Strukturbeweis für den Erhalt der
Imidoesterpartialstruktur in den Umsetzungsprodukten läßt sich u.a. leicht
durch das 13C-NMR am folgenden Beispiel führen.
B33 [Spektrum 8]
Der Peak für das O-CH3 Signal 3
liegt bei etwa 55 ppm, in guter Übereinstimmung mit der Literatur, die für
Methyl als
"-Substituenten am Sauerstoff 50 - 60 ppm angibt. Ein
entsprechender Peak für N-CH3 wird mit maximal 48 ppm, meist um 35
ppm angegeben.
In den anschließenden Spaltungsuntersuchungen erwiesen
sich die untersuchten Verbindungen in Abwesenheit von Nucleophilen, auch im in
situ Verfahren, wie erhofft als stabil, mit NH-Nucleophilen ergaben sie in
guten Ausbeuten die nur Produkte eines Isocyanatweges.
Der Umsetzungsversuche zwischen Imidaten und
Acylisocyanate führte anfangs nicht zu den gewünschten Produkten, sondern nur
zu den entsprechenden N,N'- bisacylierten Harnstoffen.
B34 [Imidate u. Acylisocyanaten]
Ihre Bildung ist entsprechend als Reaktion der
Acylisocyanate mit sich selbst erklärbar. Erfolgreicher waren erst Reaktionen
bei Temperaturen von -70 oC.
Die entstandenen Produkte erwiesen sich jedoch als
relativ thermolabil. So war es z.T. nicht möglich, die Produkte
umzukristallisieren. Dagegen waren sie gegen protische Lösungsmittel wie
Ethanol oder Wasser erstaunlich stabil. Einige konnten sogar durch Waschen mit
Wasser gereinigt werden.
In den Spaltungsuntersuchungen ergaben sie
erwartungsgemäß Produkte eines Acylisocyanatweges. Wegen der Empfindlichkeit
der Substanzen gegen thermische Belastung wurde jedoch auf
Stabilitätsuntersuchungen im sonst üblichen Rahmen verzichtet.
Im abschließende Teil meines Vortrags möchte ich nur
auf unsere Bemühungen, die zellteilungsbiolgische Wirkung der hergestellten
Substanzen zu ermitteln, eingehen.
Als einfachen Vortest, verwendete ich eine
modifizierte Form des "Kresse-Wurzel-Tests" nach Butula[9]. Zur Durchführung läßt man 20 - 30 Samen der
Gartenkresse (Lepidum sativum) in dest. Wasser auf Filtrierpapier keimen. In
der Originalvorschrift nicht erwähnt, aber besonders bemerkenswert erscheint
mir, daß man unbehandelte Samen verwendet, die schwer zu bekommen sind.
Nach 48 h Kultur bei 20 +/-1 oC wurde das Wasser gegen die
Prüflösung ausgetauscht. Als Testkonzentration wurde 1 mg/ml verwendet. Nach
weiteren 24 h bestimmten wir von der Hälfte der Samen, nach weiteren 22 h von der anderen Hälfte die Entwicklung der Wurzelhaare,
indem wir sie unter einem Stereomikroskop betrachteten, photographierten und
vermaßen. Als Wachstumsstörungsrate wurde ihre Entwicklung im Vergleich zu in
Wasser gezogenen Samen herangezogen.
B35 [Photos Kressewurzeln] siehe Arbeit !
Besonders beeindruckend fand ich die Ergebnisse bei
der Testung der Isocyanat - Imidat - Addukte. Auf dem Dia sind in der Mitte die
Entwicklung der Wurzelhaare der Vergleichspflanze, umgeben von verschiedenen
Testansätzen zu sehen. Wie sie sehen waren in der Regel die Wurzelhaare nur
noch rudimentär entwickelt.
Die notwendige nächste Stufe unserer Untersuchungen
ist der Versuch mit interessierten Firmen zusammenzuarbeiten um die Testungen
der Substanzen zu verbessern. Erste Kontakte konnte ich dabei schon aufnehmen
und erwarte eine Intensivierung der Zusammenarbeit.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen, ausgehend von der
historischen Entwicklung einmündend in meine eigene Arbeit zeigen, daß das
Prinzip chemische Reaktivität zur Erzielung biologischer Wirkungen zu nutzen
ein zwar altbekanntes, ich erinnere nur an den Weg von 1845 Urotropin bis 1989
Taurolidin, aber immer noch aktuelles Arbeitsgebiet ist.
Abschließend bleibt nur noch meiner technischen Assistentin Frau Sabine Jürgens für ihre experimentelle Mitarbeit zu danken und Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, danke ich für Ihre Aufmerksamkeit.
Literatur :
[1] A.Munn, Isocyanates as health
hazards, Ann.Occ.Hyg. 8,163
(1965)
[2] D. Martin, Synthetische Senfölbildner, Akad. Verl. Berlin
1962
[3] wie 5
[4] S.Petersen, Lieb. Ann. Chem.
562, 210 (1949)
[5] P.F.Wiley, J. Am. Soc., 71,3746
(1949)
[6] W.Kiemstedt / W.Sundermayer, Chem.
Ber. 115, 919 (1982)
[7] B.S.Drach / J.Y.Dolgushina/A.D.Sinitsa/A.V.Kirisanov
Zh.Obs. Khim. 42, 1240 (1972)
[8] Die Anmerk. zu A.Pinner, Ber. 23, 2923 (1890) im
Houben-Weyl IX/4 (1952) ist
falsch
[9] L.Butula, Die Pharmazie, 33, 430 (1978)