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Anhang : In der Arbeit erwähnte Fälschungsfälle(1) in Kurzfassung:

A. Historische Fälle

Galileo Galilei entwickelte zwar die naturwissenschaftliche Methode, nahm es aber selbst nicht so genau damit. Seine Fallgesetze will er um 1600 aus Experimenten abgeleitet haben, die er "fast hundertmal wiederholte". Ein Zeitgenosse Galileis mühte sich vergeblich, diese Versuche zu reproduzieren. Heute weiß man, daß sie unter den damaligen Bedingungen gar nicht funktionieren konnten.

Isaac Newton verfaßt 1687 die "Principia", die in Deutschland und Frankreich auf Kritik stoßen. Um den Kontinent von seiner Theorie zu überzeugen, hilft Newton der Genauigkeit seiner Berechnung der Schallgeschwindigkeit und der Verschiebung der Tag- und Nachtgleiche mit einem Mogelfaktor nach. Bis man die Manipulationen ganz durchschaut, vergehen fast 250 Jahre.

Louis Pasteur wendet 1885 seine Tollwut-Impfung erstmals beim Menschen an. Er behauptet, sie zuvor an Hunden getestet zu haben. Das stimmt nicht, doch Pasteur und Patient haben Glück. Die Lüge kommt über hundert Jahre später bei der Auswertung von Pasteurs Labortagebüchern heraus.

B. Prominente Fälle der 90er Jahre

Der Biophysiker Wolfgang Lohmann von der Universität Gießen entwickelte 1990 angeblich ein Verfahren zur Erkennung von Hautkrebs mittels Fluoreszenzspektroskopie. Einem Mitarbeiter fallen Diskrepanzen zwischen Laborergebnissen und Publikationen auf. Doch ursprüngliche Meßdaten verschwinden teilweise, andere seien "versehentlich falsch publiziert" worden, sagt Lohmann. Eine Aufforderung der Uni Gießen an ihn, seine Ergebnisse zu widerrufen, erklärt das Bundesverwaltungsgericht 1996 für rechtswidrig.

Die Uni legte Verfassungsbeschwerde ein.

1991 ging es darum, ob der Medizin-Nobelpreisträger David Baltimore (Tufts University), von Fälschungen in Publikationen einer Mitarbeiterin wußte oder gar beteiligt war. Ziel der Arbeit war, in transgenen Mäuse die Regulation des p-Genes der schweren Kette zu untersuchen. Mit Thereza Imanishi-Kari wurden immunologische Fragestellungen untersucht. Die Experimente förderten etwas offensichtlich Ungewöhnliches zu Tage. Die resultierende zentrale Hypothese lautete, dass es in transgenen Mäusen eine gesteigerte Expression von endogenen Immunglobulinen gibt, die idiotypische Determinanten mit dem transgenen (exogenen) Antikörper teilen. Dr. O'Toole (die Hauptkritikerin) argumentierte dagegen, dass eine andere Interpretation der Daten möglich sei. Sie führte Argumente an, warum die veröffentlichte Interpretation der Ergebnisse unpassend sei. Gutachten kamen zu dem Schluß, dass es keinen zwingenden Grund gab, zu glauben, dass eine schwerwiegende Fehlinterpretation vorliege. Die Angelegenheit wurde von der Laienpresse, (insbesondere "Boston Globe"), aufgegriffen und in einer breiten Öffentlichkeit diskutiert. Zwei Unterausschüsse des Kongresses interessierten sich für die Angelegenheit. Viele Kongreßmitglieder glauben, dass die Selbstkontrolle der wissenschaftlichen Gemeinschaft nicht ausreiche und dass das NIH nicht sorgfältig genug sei. Ein Unterausschüsse hielt eine Anhörung ab. Dr. O'Toole betonte in ihrer Aussage, dass sie niemals behauptet habe es sei Betrug im Spiel, sondern, ungehalten über "verdrehte" wissenschaftliche Daten war. Kari und Baltimore wurden weder eingeladen auszusagen, noch überhaupt informiert, dass eine Untersuchung des OIR lief. Sie endete mit einer Erklärung von 19 Fällen des "wissenschaftlichen Fehlverhaltens" durch Kari und Baltimore. Diese fochten die Ergebnisse, die der forschungsunerfahre US-Geheimdienst ermittelt hatte, erfolgreich an. Die Untersuchungen brachten einzige eine "klare Übertreibung" in der Veröffentlichung zu Tage.

Kari und Baltimore wurden 1996 offiziell rehabilitiert.

Guido Zadel behauptet 1994, rechts- und linksdrehende Moleküle mittels Magnetfeldern in unterschiedlichen Mengen erzeugen zu können. Die Entdeckung des Bonner Chemikers wäre nobelpreisverdächtig. Doch das Zadel-Verfahren funktionierte nur, wenn Zadel anwesend war. Die Uni Bonn versucht, ihm den Doktortitel abzuerkennen. Ein Urteil wird nicht vor dem Jahr 2000 erwartet.

John McLachlan (Tulane University) muß 1996 zugeben, daß er seine Experimente zum Einfluß von Pestiziden auf den Hormonhaushalt nicht reproduzieren kann. McLachlan wollte tausendfach stärkere Hormonstörungen nachgewiesen haben, wenn Hefezellen zwei Pestiziden gleichzeitig ausgesetzt sind. Das hätte seine These bewiesen, dass sich Umweltgifte gegenseitig überadditiv erheblich verstärken können.

Im Frühjahr 1997 wurde bekannt, daß die Professoren Friedhelm Herrmann (Uni. Ulm) und seine frühere Lebensgefährtin Marion Bracht (Uni. Lübeck) für ihre Veröffentlichung Daten frei erfunden hatten.

An den Universitäten, an denen sie arbeiten, beschäftigen sich Untersuchungskommissionen mit ihren Werken. Inzwischen gelten mehrere Dutzend ihrer Veröffentlichungen als "fälschungsverdächtig". Die gemeinsame Untersuchungskommission der Unis Ulm, Lübeck und Berlin stellte fest, die beiden hätten "über einen langen Zeitraum, mindestens von 1988 bis 1996, in ihren wissenschaftlichen Arbeiten Ergebnisse und Aussagen in beispiellosen Umfang gefälscht". Die Herkunft vieler Daten blieb für die Mitarbeiter Herrmanns und Brachs unklar, angeblich stammten sie von früheren Mitarbeitern, aus Kooperationen mit anderen Labors usw. Manipulationen fielen Mitarbeitern aber bei einer Veröffentlichung auf, die am 03. Oktober 1994 eingereicht worden war, deren Experimente aber erst im November begonnen wurden. Die Daten einer japanischen Arbeitsgruppe wurden verwendet, die die Experimente auf einem Kongress vorgestellt hatte. Diese Arbeitsgruppe veröffentlichte ihre Daten im Januar 1995 in Cell. Herrmann hat inzwischen gestanden, dass auch diese Veröffentlichung fabrizierte Daten enthält. Derartiger Schwindel hilft auch, um Forschungsgelder zu erhalten. Nachdem er einen Förderungsantrag eines niederländischen Krebsforschers begutachtet hatten, legten sie der Thyssen-Stiftung einen nahezu identischen Antrag vor. Bewilligter Betrag: DM 260.000. Protestierten seine Mitarbeiter gegen die Betrügereien, die sie mitbekommen hatten, wurden sie zunächst beschwichtigt: "Das machen doch alle." Es gab auch weitere Druckmittel: die Mitarbeiter hatten ja nur Zeitverträge, wer nicht mitmacht, bekommt keine Verlängerung. Auch war bekannt, dass diejenigen, die die Arbeitsgruppe in ihrer Wut vorschnell verlassen hatten, lange Zeit keinen Job fanden. Zur Aufdeckung kam es erst, nachdem Brach sich von Herrmann getrennt und einen Ruf an die Universität Lübeck erhalten hatte. Da Herrmann sie gemäß ihrer Darstellung sehr schikaniert habe, vertraute sie sich einem Mitarbeiter an. Monate später wurde der Fall publik.

Im Frühjahr 1998 wurde berichtet, dass am Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung (MPI) in Köln wegen Betrugsvorwürfen gegen J. Schell und Mitarbeiter nach den Richtlinien des MPI ermittelt wird.

Der Laborleiter B. Reiß trat zurück und einer seiner Technischen Angestellten ging , nachdem ihnen wissenschaftliches Fehlverhalten, einschließlich der Manipulation experimenteller Ergebnisse, vorgeworfen wurde. Das betroffene Labor beschäftigt sich mit der hormonalen Kontrolle der Zellteilung in Pflanzen. Der Fall kam ans Licht, nachdem anderen Wissenschaftlern am Institut der scheinbare Erfolg dieses Labors mit einem bestimmten Assay für Protoplasten (kultivierte Pflanzenzellen ohne Zellwände) verdächtig vorkam, der nicht von anderen wiederholt werden konnte. Sie meldeten im Februar ihren Verdacht dem Leiter des Instituts. Dieser Fall war der erste Test für die neuen Regelungen der Max-Planck-Gesellschaft zur Untersuchung von wissenschaftlichem Fehlverhalten. Die Regelungen wurden Ende letzten Jahres vom Senat der Gesellschaft gebilligt (siehe Nature Band 390, S. 430; 1997). Im Juni 1998 teilte die MPG mit, dass der Direktor im Vorprüfungsverfahren vom Verdacht auf wissenschaftliches Fehlverhalten entlastet sei. "Der Direktor am Kölner Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung, Jozef Schell, hat wissenschaftlich korrekt gearbeitet und war zu keiner Zeit an den im Institut aufgedeckten Datenmanipulationen beteiligt". Zu diesem Schluß kommt der Untersuchungsbericht des mit der Vorprüfung beauftragten Vizepräsidenten der Max-Planck-Gesellschaft, Prof. Franz E. Weinert. Auch eine grobe Vernachlässigung der Aufsichtspflicht ist ihm nicht vorzuwerfen. Auch hat sich die Annahme einer - inakzeptablen - "Ehrenautorschaft" an von Fälschungen betroffenen Publikationen nicht bestätigt. Damit steht Prof. Schell nach den Regularien der Max-Planck-Gesellschaft nicht im Verdacht des wissenschaftlichen Fehlverhaltens. Der Vorprüfungsbericht bestätigte die Trennung von den beiden Mitarbeitern als "sehr zurecht". Nach Kenntnis des Fälschungsverdachts hat Prof. Schell alles getan, die Fakten aufzuklären und die Öffentlichkeit zu informieren. Von den Datenfälschungen sind entgegen anderslautenden Presseberichten, in denen von 30 manipulierten Veröffentlichungen die Rede war, nur 11 Original-Publikationen betroffen. Bei den übrigen 19 Artikeln handelt es sich um "Review-Beiträge" oder Kapitel in Büchern, in denen die betreffenden Experimente lediglich zitiert oder kommentiert wurden. Nach der Verfahrensordnung der Max-Planck-Gesellschaft bei Verdacht auf wissenschaftliches Fehlverhalten ist mit dem vorliegenden Ergebnis der Vorprüfung der Fall ordnungsgemäß abgeschlossen. Eine Übertragung des Falles an den dafür vorgesehenen externen Untersuchungsausschuß wäre demnach nicht nötig. Vor dem Hintergrund des erheblichen öffentlichen Interesses in dieser Angelegenheit - dem ersten Fall innerhalb der Forschungsorganisation seit dem Inkrafttreten der neuen Verfahrensordnung - hat sich die Max-Planck-Gesellschaft jedoch entschlossen, dem Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses, Prof. Walter Odersky (den ehemaligen Präsidenten des Bundesgerichtshofes) das Untersuchungsergebnis vorzulegen und ihn um Prüfung zu bitten, ob er weiteren Aufklärungsbedarf sieht, der die Befassung des Untersuchungsausschusses erforderlich macht.

 

1. Die Fälle: Galiei, Newton,Pasteur, Lohman, Zadel und McLachlan sind in DIE ZEIT vom 10.06.1998 nachzulesen.

Die anderen Angaben erfolgen nach eigenen Recherchen aus verschiedenen Internetquellen, überwiegend nach

http://www.home.t-online.de/ Bernhard.Hiller

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